Kommentare zur Forderung nach Trennung der Ressorts Raumplanung und Wirtschaft

Leserbrief von Franz Ströhle, Obmann des Alpenschutzvereins Vorarlberg vom 25.10.2019:

Weiterentwicklung wohin?

Die Reaktion von IV-Chef Ohneberg auf den Appell von Hildegard Breiner, Raumplanung und Wirtschaft zu trennen (VN-Artikel vom 24. Oktober 2019), ist nicht überraschend. Eine stärkere Steuerung des Landes wäre notwendig, lässt Ohneberg wissen, und führt dazu das fossile S 18 Straßenprojekt an und bringt das auch noch mit Weiterentwicklung in Verbindung. Dass dieses Verharren und Klammern an vorgestrige Modelle direkt in den Abgrund führen, ist inzwischen zumindest jenen klar, die auch noch andere Werte sehen als neoliberale Wirtschaftsziele. Die Interessensabwägung, wohin die Entwicklung geht, hat eine starke Schieflage. Es geht um das Gesamtwohl der Bevölkerung, wie in einer Presseaussendung (15. Oktober 2019) von über zehn Organisationen betont wurde. Auch zwei Bürgerräte zur Zukunft Landwirtschaft und dem Umgang mit Grund und Boden kommen zum Schluss, dass jetzt Taten gefordert sind, um dem rasanten Bodenverbrauch Einhalt zu gebieten.
Deshalb ist die Forderung, die Raumplanung jetzt aus der Umklammerung des Wirtschaftsressorts zu lösen, grundvernünftig und notwendig! Es ist zu hoffen, dass dieses dringende Anliegen in den derzeitigen Regierungsverhandlungen das entsprechende Gewicht erhält und umgesetzt wird.

Online-Kommentar von Naturschutzanwältin Katharina Lins vom 21.10.2019:

Raumplanung soll Schiedsrichter sein

Vorige Woche hat ein breites Bündnis von Organisationen gefordert, dass in Vorarlberg, wie in anderen Ländern, die Ressorts Wirtschaft und Raumplanung in der Landesregierung getrennt werden sollen.
Diese Forderung macht aus unserer Sicht absolut Sinn, wir unterstützen sie vollinhaltlich. Denn die Aufgabe der Raumplanung ist nun einmal, die vielen verschiedenen Ansprüche an den Raum zu regeln und räumlich zu ordnen. Und gerade in einem kleinen Land wie Vorarlberg, wo so viele Nutzungsansprüche auf engem Raum aufeinander treffen, ist diese Aufgabe eine große Herausforderung – die Debatten der letzten Zeit haben das deutlich gezeigt.
Die Ziele und Grundsätze sind in den ersten Paragraphen des Raumplanungsgesetzes eigentlich schön definiert (siehe unten), dort steht auch klar, dass die „Gesamtgestaltung des Landesgebiets“ dem „allgemeinen Besten“ dienen soll, und dass alle Interessen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen.
Daher ist es nur logisch, dass die Stelle, die diese vielen Ansprüche abwägen muss, möglichst neutral zu einzelnen Interessen sein soll.

Oder wer würde gern in einem Fussballmatch mitspielen, bei dem der Schiedsrichter gleichzeitig der Trainer der gegnerischen Mannschaft ist?

§ 2 Raumplanungsziele

(1) Die Raumplanung hat eine dem allgemeinen Besten dienende Gesamtgestaltung des Landesgebiets anzustreben.

(2) Ziele der Raumplanung sind
a) die nachhaltige Sicherung der räumlichen Existenzgrundlagen der Menschen, besonders für Wohnen, Wirtschaft und Arbeit, einschließlich der Sicherung von Flächen für die Landwirtschaft unter besonderer Berücksichtigung der bodenabhängigen Lebensmittelerzeugung,
b) die Erhaltung der Vielfalt von Natur und Landschaft,
c) der bestmögliche Ausgleich der sonstigen Anforderungen an das Gebiet.

(3) Bei der Planung sind insbesondere folgende weitere Ziele zu beachten:
a) Mit Grund und Boden ist haushälterisch umzugehen, insbesondere sind Bauflächen bodensparend zu nutzen.
b) Die verschiedenen Möglichkeiten der Raumnutzung sind möglichst lange offen zu halten.
c) Die natürlichen und naturnahen Landschaftsteile, die Freiräume für die Landwirtschaft und die Naherholung sowie die Trinkwasserreserven sollen erhalten bleiben.
d) Die Siedlungsgebiete sind bestmöglich vor Naturgefahren zu schützen; die zum Schutz vor Naturgefahren notwendigen Freiräume sollen erhalten bleiben.
e) Flächen mit wichtigen Rohstoffvorkommen sind von Nutzungen, die ihre Gewinnung verhindern oder erheblich erschweren, freizuhalten.
f) Die für die Land- und Forstwirtschaft besonders geeigneten Flächen dürfen für andere Zwecke nur verwendet werden, wenn dafür ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht.
g) Die zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfs benötigten Flächen sollen nicht für Ferienwohnungen verwendet werden.
h) Die Siedlungsentwicklung hat nach innen zu erfolgen; die äußeren Siedlungsränder sollen nicht weiter ausgedehnt werden.
i) Die Ortskerne sind zu erhalten und in ihrer Funktion zu stärken.
j) Gebiete und Flächen für Wohnen, Wirtschaft, Arbeit, Freizeit, Einkauf und sonstige Nutzungen sind einander so zuzuordnen, dass Belästigungen möglichst vermieden werden.
k) Räumliche Strukturen, die eine umweltverträgliche Mobilität begünstigen, besonders für öffentlichen Verkehr, Fußgänger und Radfahrer, sind zu bevorzugen; Strukturen, die zu unnötigem motorisierten Individualverkehr führen, ist entgegenzuwirken.
l) Für Einrichtungen des Gemeinbedarfs sind geeignete Standorte festzulegen; die erforderlichen Flächen für notwendige Infrastruktureinrichtungen sind freizuhalten.

§ 3 Interessenabwägung

Bei der Raumplanung sind alle berührten Interessen unter Berücksichtigung der im § 2 angeführten Ziele so gegeneinander abzuwägen, dass sie dem Gesamtwohl der Bevölkerung am besten entspricht. Die Planung ist unter möglichster Schonung des Privateigentums durchzuführen.